Rechtliches

Sind sehbehinderte Menschen berechtigt, einen Behindertenausweis zu beantragen? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein und besteht eine Kennzeichnungspflicht im Straßenverkehr? Hier erhalten Sie die Antworten.

Schwerbehindertenausweis

Auch sehbehinderte Menschen können einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Er dient grundsätzlich als Nachweis einer Behinderung und gibt Betroffenen die Möglichkeit eines finanziellen Ausgleichs, der durch die Behinderung entsteht. Zudem ermöglicht es der Ausweis, bestimmte Leistungen und Vergünstigungen zu erhalten. Diese sind abhängig vom Grad der Behinderung und den im Ausweis eingetragenen Merkzeichen.


Antragsformulare erhalten Sie bei der Kommunalverwaltung. Dort bekommt Sie auch Unterstützung beim Ausfüllen des Formulars. In einigen Bundesländern ist es möglich, den Antrag online zu stellen. Dem Antrag können, müssen aber keine, ärztlichen Gutachten beigefügt werden.1

Grad der Behinderung (GdB)

Die Bestimmung des Grades der Behinderung (GdB) erfolgt zunächst über die Sehschärfe und/oder die Einschränkung des Gesichtsfeldes. Sobald der Grad der Behinderung einen Wert von 50 erreicht, kann ein Ausweis ausgestellt werden.

 

Die Wert-Bestimmung der Sehschärfe wird anhand der folgenden Tabelle getroffen: 1

 

Sehschärfe

RA

1,0

0,8

0,63

0,5

0,4

0,32

0,25

0,2

0,16

0,1

0,08

0,05

0,02

0

  LA

 

5/5

5/6

5/8

5/10

5/12

5/15

5/20

5/25

5/30

5/50

1/12

1/20

1/50

0

  1,0

5/5

0

0

0

5

5

10

10

10

15

20

20

25

25

25

  0,8

5/6

0

0

5

5

10

10

10

15

20

20

25

30

30

30

  0,63

5/8

0

5

10

10

10

10

15

20

20

25

30

30

30

40

  0,5

5/10

5

5

10

10

10

15

20

20

25

30

30

35

40

40

  0,4

5/12

5

10

10

10

20

20

25

25

30

30

35

40

50

50

  0,32

5/15

10

10

10

15

20

30

30

30

40

40

40

50

50

50

  0,25

5/20

10

10

15

20

25

30

40

40

40

50

50

50

60

60

  0,2

5/25

10

15

20

20

25

30

40

50

50

50

60

60

70

70

  0,16

5/30

15

20

20

25

30

40

40

50

60

60

60

70

80

80

  0,1

5/50

20

20

25

30

30

40

50

50

60

70

70

80

90

90

  0,08

1/12

20

25

30

30

35

40

50

60

60

70

80

90

90

90

  0,05

1/20

25

30

30

35

40

50

50

60

70

80

90

100

100

100

  0,02

1/50

25

30

30

40

50

50

60

70

80

90

90

100

100

100

  0

0

25

30

40

40

50

50

60

70

80

90

90

100

100

100

 

ab 50   ein Schwerbehindertenausweis wird ausgestellt

 60       RF = Rundfunkgebührenermäßigung

 70       G und B = Freie Fahrt im öffentlichen Personennahverkehr und Mitnahme einer Begleitung ist nachgewiesen

 100     H = Hilflosigkeit

 100     Bl = Blind

 

 

 

 

Die Ermittlung der Einschränkung des Gesichtsfeldes kann zusätzlich berücksichtigt werden und den Grad der Behinderung steigern. Die nachfolgende Tabelle zeigt den Behinderungsgrad anhand der Sehschärfe (Visus) und der Einschränkung des Gesichtsfeldes: 1

 

Visus

Gesichtsfeld

Hochgradige Sehein-schränkung/Blindheit

Besser als 2/10 ≤ 0,2 ≤ 20 %

Die Grenze des Restgesichtsfeldes ist in keiner Richtung mehr als 10° vom Zentrum entfernt; Gesichtsfelder jenseits von 50° bleiben unberücksichtigt.

= Hochgradige Sehbehinderung,
GdB 100

G RF B H

Weniger oder gleich 2/10 ≤ 0,2 ≤ 20 %

Im zentralen Bereich liegen große Gesichtsfeldausfälle vor; im 50° Gesichtsfeld sind unterhalb des horizontalen Meridians mehr als 2/3 ausgefallen.

= Hochgradige Sehbehinderung,
GdB 100

G RF B H

Weniger oder gleich 1/30 ≤ 0,033 ≤ 3,3 %

Die Grenze des Restgesichtsfeldes ist in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt; Gesichtsfeldreste jenseits von 50° bleiben unberücksichtigt.

= Blindheit,
GdB 100

G RF B H BI

Weniger oder gleich 1,20 ≤ 0,05 ≤ 5 %

Die Grenze des Restgesichtsfeldes ist in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt; Gesichtsfeldreste jenseits von 50° bleiben unberücksichtigt.

= Blindheit,
GdB 100

G RF B H BI

Weniger oder gleich 1/10 ≤ 0,1 ≤ 10 %

Die Grenze des Restgesichtsfeldes ist in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt; Gesichtsfeldreste jenseits von 50° bleiben unberücksichtigt.

= Blindheit,
GdB 100

G RF B H BI

Besser als oder gleich 1/10 ≤ 0,1 ≤ 10 %

Die Grenze des Restgesichtsfeldes ist in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt; Gesichtsfeldreste jenseits von 50° bleiben unberücksichtigt.

= Blindheit,
GdB 100

G RF B H BI

Weniger oder gleich 1/10 ≤ 0,1 ≤ 10 %

Beidäugige halbseitige Gesichtsfeldausfälle, die gleichseitig liegen; das beidäugige Gesichtsfeld besitzt in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser.

= Blindheit,
GdB 100

G RF B H BI

Weniger oder gleich 1/10 ≤ 0,1 ≤ 10 %

Beidäugige halbseitige Gesichtsfeldausfälle, die gekreuzt liegen; es besteht kein beidäugiges Sehen.

= Blindheit,
GdB 100

G RF B H BI

 

Merkzeichen

Die sogenannten Merkzeichen dienen dem Nachteilsausgleich und werden bei Seheinschränkungen wie folgt zuerkannt:

 

  • Grad der Behinderung 60:
    Merkzeichen: RF
    Ermäßigung der Rundfunkgebühren auf ein Drittel; Ermäßigung von Telefoneinheiten bei der Telekom; Steuerfreibetrag
  • Grad der Behinderung 70:
    Merkzeichen: G
    Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr; Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr mit Kostenbeteiligung oder Kfz-Steuerbefreiung um 50%; Steuerfreibetrag
  • Grad der Behinderung 70:
    Merkzeichen: B
    Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen; die Begleitperson fährt kostenlos, solange sie den behinderten Menschen begleitet, gilt auch im Fernverkehr; Gebührenfreie Platzreservierung für zwei Personen bei der Deutsche Bahn AG; Steuerfreibetrag
  • Grad der Behinderung 100:
    Merkzeichen H:
    Hilflosigkeit; Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr ohne Kostenbeteiligung und Kfz-Steuerbefreiung; Steuerfreibetrag; Anspruch auf Hilfe für hochgradig Sehbehinderte; anteilige Erstattung von Taxifahrten zur ambulanten Behandlung
  • Grad der Behinderung 100:
    Merkzeichen: Bl
    Blindheit; Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr; Kfz-Steuerbefreiung; Steuerfreibetrag; Parkausweis zum Parken auf gekennzeichneten Parkplätzen und zu Parkerleichterungen im eingeschränkten Halteverbot und in Anwohnerparkzonen; anteilige Erstattung von Taxifahrten zur ambulanten Behandlung; Anspruch auf Blindengeld.

 

Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr (Merkzeichen G) können genutzt werden sobald auch eine kostenpflichten Wertmarke beantragt wurde (ca. 36 €/Halbjahr bzw. 72 €/Jahr). Ist zusätzlich das Merkzeichen H eingetragen, wird die Wertmarke kostenfrei zur Verfügung gestellt.

 

Fahrten zur ambulanten Behandlung (Merkzeichen H) können teilweise von den Krankenkassen übernommen werden. Voraussetzung ist ein formloser Antrag bei der Krankenkasse, für einen bestimmten Zeitraum die Taxifahrten zur ambulanten Behandlung zu übernehmen. In der Regel muss ein Eigenanteil zu jeder Fahrt gezahlt werden.

 

Der Parkausweis (Merkzeichen Bl) wird bei der Kommunalverwaltung beantragt. Dazu werden neben dem Schwerbehindertenausweis der Personalausweis und ein Passbild benötigt. 1

Kennzeichnung und Vorsorgepflicht

Ist eine sehbehinderte Person rechtlich dazu verpflichtet, sich im Straßenverkehr zu kennzeichnen?

 

Grundsätzlich darf jeder am Straßenverkehr teilnehmen und gesetzlich gibt es keine expliziten Regelungen speziell für sehbehinderte oder blinde Teilnehmer. Jedem ist selbst überlassen, ob er sicher am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne eine Gefahr für andere zu sein oder ob eine Kennzeichnung erforderlich ist.

 

Ist eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr objektiv nicht gewährleistet und kennzeichnet sich der Betroffene nicht entsprechend sichtbar für andere Verkehrsteilnehmer, so begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Sollte es zu einem Verkehrsunfall kommen, kann dies auch zivilrechtliche Folgen haben.

 

Wenn Sie sich im Straßenverkehr nicht sicher fühlen oder denken, dass eine Kennzeichnung hilfreich wäre, haben Sie dazu die folgenden Möglichkeiten:

 

Begleitperson-Icon

Begleitperson

Blindenstock-Icon

Weißer Blindenstock

Blindenhund-Icon

Blindenhund

im weißen Führgeschirr

Gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten

Gelbe Armbinde

mit drei schwarzen Punkten (beidseitig)

Quellen


1 AMD-Netz, Leben mit Makula-Degeneration: https://www.amd-netz.de/leben-mit-amd/staatliche-hilfen-und-finanzierung/schwerbehindertenausweis
2 Blinden Sehbehinderten Bund, Markus Brinker: Kennzeichnung & Vorsorgepflicht: https://www.bsbh.org/tipps-information/rehabilitation-hilfsmittel/kennzeichnung-vorsorgepflicht/

 

Redaktion in Abstimmung mit den Kooperationspartnern.

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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Text die männliche Grundform genutzt. Selbstverständlich beziehen sich die Bezeichnungen, z. B. Patient oder Arzt, auch auf weibliche und non-binäre Personengruppen.